Jahresthema

Mit einem zuversichtlichen „JA“ in die Zukunft
Zehn Jahre ist das schon her. Am 1. Januar 2012 wurde die Kirchengemeinde Zwölf-Apostel Sarstedt-Land gegründet. Und wir feiern 2022 Jubiläum. Viel hat sich verändert in den zehn Jahren: neue Organisationsstrukturen, neue Pastor:innen, neue Gottesdienstformate, Konfirmandenmodelle, Kirchenvorsteher:innen, Angebote und Abläufe – Umstellungen für Jung und Alt, Ehren- und Hauptamtliche. Ein Mammutprojekt war und ist das, diese besondere Kirchengemeinde, diese Fusion aus ehemals 6 Kirchengemeinden, dieses Modell, das inzwischen immer mehr Schule macht – nicht nur in unserer Landeskirche. Wir waren Vorreiter. Hier wurde mutig etwas gewagt, was anderen Kirchengemeinden nun noch bevorsteht. Das war natürlich nicht leicht. Und es war auch mit viel Frust und Enttäuschung verbunden. Es gab Streit und Konflikte. Es war anstrengend und herausfordernd. Und ich will auch nicht behaupten, dass inzwischen alles geklärt sei und alle nun glücklich an einem gemeinsamen Ziel angekommen seien. Wir werden auch in den nächsten Jahren ausprobieren, ausdiskutieren, anpassen und neu ausrichten müssen. Und nicht jeder wird zufrieden sein, mit dem was geworden ist und noch entstehen wird. Tatsache ist aber, dass ganz viel bereits entstanden ist. Es ist keinesfalls nur abgebaut, zurückgefahren oder abgebrochen worden in den letzten Jahren. Klar, einiges, was früher war, das besteht heute nicht mehr. Angefangen bei den Hauptamtlichen: Wo vor 10 Jahren noch 6 Pfarrstellen zur Verfügung standen, sieht der Stellenrahmenplan derzeit nur noch nur noch 2 3/4 Pfarrstellen vor (ab 2023 vermutlich sogar noch weniger). Kreise, die sich mal trafen, sind eingeschlafen, Gebäude sind verkauft oder umfunktioniert worden, Gottesdienstformate und Traditionen stießen auf kein Interesse mehr. Das ist schade und darüber darf man auch traurig sein. Andererseits sind gerade in den letzten Jahren so viele neue Gruppen, Angebote und Formate entstanden, dass uns Superintendent Peisert bei der Visitation 2021 ermahnen musste, unsere Kräfte und Ressourcen zu schonen: „Zwölf-Apostel Männer Aktiv“, „Zwölf-Apostel On-Tour“, die Jugendarbeit, die zahlreichen Teamer, „Brot und Butter“, der „Alternative Abendgottesdienst“, die Taufboxaktion mit den Geschenk-Tauben, die „ EINER FÜR ALLE“-Gottesdienste, zwei neue Kindergärten in unserer Kirchengemeinde, die Umwelt-Gruppe, die Krimispielgruppen, unsere Tauffeste, neue Freizeit-Angebote für die Jugendlichen und Ex-Konfis, unsere Videoandachten, die Sommerkirche, „Torte im Ort“, die Konfi-Band und… – schauen Sie nur mal auf unsere Homepage, was da alles zusammenkommt! Aber auch wer in den letzten Jahren diesen Gemeindebrief gelesen hat, der wird sich nicht nur über die hohe Qualität dieser Publikation gefreut haben, sondern wird auch gemerkt haben: Zwölf-Apostel ist eine lebendige Kirchengemeinde mit unglaublich großem Angebot, mit unzähligen Ehrenamtlichen, immer wieder neuen Gesichtern, jungen Leuten, jungen Familien, neu Zugezogenen und Wiedereingetretenen. Die Nachfragen nach Taufen und Trauungen übersteigen oft unsere terminlichen Kapazitäten und in unseren besonderen Gottesdiensten, nicht nur an Weihnachten, sondern auch an Erntedank, zur Begrüßung und Verabschiedung der Konfirmanden, am Abend mit der Band, mit Cantiamo oder dem Kinderchor, ist Platzmangel das vornehmliche Problem. Klar, nicht jeder Gottesdienst ist gut besucht. Besonders dem „normalen“ Gottesdienst am Sonntagmorgen gilt meist eher das Prädikat „klein aber fein“, aber auch das muss und darf es geben: Großevents und kleine intensive Runden – in unserer Gemeinde kommen beide zu Ihrem Recht, haben ihre Zeit und ihren Ort.
Unsere Gemeinde bietet für so viele Menschen mit den unterschiedlichsten Interessen und Nöten einen Raum, in dem sie sich willkommen fühlen, sich mit ihren Talenten einbringen, neue Freundschaften mit Menschen aus anderen Orten schließen, miteinander ins Gespräch kommen und über die Fragen des Glaubens und des Lebens nachdenken und auch weiterkommen können.
Über all das und noch vieles mehr kann man sich freuen, das darf man feiern und das werden wir auch tun (mehr zu unseren Plänen für das Jubiläumsjahr im folgenden Artikel). Wir wollen und können mit einem fröhlichen und dankbaren „Ja“ zurückblicken und auch in die Zukunft gehen. „Ja“ zu dem was entstehen konnte und geworden ist, „ja“ zu einander über die Ortsgrenzen hinweg, „ja“ zu unserer gemeinsamen Mitte, wie sie in leuchtendem Rot unser Logo ziert. Ja, Herausforderungen wird es auch in Zukunft geben, aber, „ja“, wir müssen das auch weiterhin nicht alleine bewältigen. Ja, da ist einer, der uns ermutigt und geleitet, einer der „ja“ zu uns sagt und „ja“ zu einer Gemeinschaft von Menschen, die nach seinem Willen fragen, sein Wort hören, sich auf seine Verheißungen verlassen und sich seinen Trost zusprechen lassen.
10J12A, 10 Jahre 12 Apostel – ja, liebe Gemeinde, bei mir überwiegt es auf jeden Fall: ein großes, dankbares, zuversichtliches „Ja“! Ich hoffe, es geht Ihnen auch so!
Pastor Yorick Schulz-Wackerbarth
► Bericht zum Gemeindefest am 03. Juli 2022
Aus: Gemeindebrief 4 - 2021
„Man kann sich auch alles schönreden“
Kritik gehört dazu
Es gab viele positive Rückmeldungen auf und nach unserem Gemeindefest am 3. Juli. Das Fest war ein ermutigendes Zeichen für das Zusammenwachsen in der Gemeinde. Gemeindeglieder aus allen Orten haben sich eingebracht und sind bei Musik, Würstchen und Getränk ins Gespräch gekommen. Die Dankbarkeit und Freude über das Gelungene der letzten 10 Jahre standen an dem Tag natürlich im Vordergrund. Gerade das überschwängliche Lob von außen und der überwiegend positive Rückblick auf die letzten 10 Jahre hat den einen oder anderen aber auch kritisch aufmerken lassen: „Man kann sich auch alles schönreden“, war so eine Reaktion.
Das war natürlich nicht unsere Absicht, bei der Jubiläumsfeier einfach „alles“ schönzureden. Allen, die in dieser Gemeinde mitwirken, vor allem denjenigen, die bereits seit der Fusion Verantwortung übernommen haben, ist sehr wohl bewusst, dass die letzten 10 Jahre durchaus auch schwer waren. Für Manche gab es sogar ausschlaggebende Gründe, dieser Gemeinde ganz und gar den Rücken zu kehren. Seit der Fusion haben Veränderungen im kirchlichen Leben vor Ort stattgefunden, an denen einige Menschen nichts Gutes mehr erkennen konnten. Das, was für sie Kirche früher im eigenen Dorf ausgemacht hat, das ist nun nicht mehr da, findet nicht mehr statt oder eben nur noch in einem anderen Dorf. Strukturen haben sich verändert, Gebäude sind verkauft oder umfunktioniert worden, neue Ansprechpartner sind dazugekommen und alte haben sich verabschiedet. Das muss man erst mal verarbeiten und auch betrauern – vor allem, wenn man sich über Jahre oder sogar Jahrzehnte für die Kirchengemeinde im eigenen Ort engagiert hat, wenn einem Formen, Gruppen, Menschen, Veranstaltungen und Traditionen ans Herz gewachsen sind. Das kann man nicht einfach mirnichts- dir-nichts abstreifen und vergessen. Das darf auch keiner erwarten oder gar verlangen.
Es ist wichtig und richtig, dass Trauer zugelassen wird. Und ich könnte mir vorstellen, dass das in den letzten Jahren für einige zu kurz gekommen ist. Vielleicht sind Traurigkeiten viel zu schnell heruntergespielt worden: „Jetzt schau doch nicht immer nach hinten! Lass dich doch mal auf was Neues ein! Die Zeiten verändern sich halt! Es geht eben nicht mehr so wie früher!“ So oder so ähnlich hörte man vielleicht, wenn in Erinnerung aus Zeiten vor Zwölf-Apostel geschwelgt wurde.
Und es stimmt ja auch: Es musste sich damals etwas verändern! Ein „weiter so“ war einfach nicht denkbar. Die Mitgliedszahlen, die reduzierten Pfarrstellen, die teils maroden Gebäude, die finanziellen Kürzungen und so viele weitere Argumente drängten ja förmlich zu Umstrukturierungen. Und das, was die Kirchenvorsteher:innen und Pastoren von damals mutig gewagt haben, das macht inzwischen in anderen Kirchenkreisen und Landeskirchen Schule. Immer wieder werden wir angefragt, über unsere Gemeinde zu referieren: Wie läuft das bei euch? Wie habt ihr das strukturiert? Wie lässt sich das überhaupt unter einen Hut bringen: So viele Kirchen, so viele Dörfer über ein so großes Gebiet? Wir können dann davon erzählen, was gut klappt und was nach wie vor schwierig ist. Aber feststeht: Viele Kirchengemeinden müssen sich heute einer Aufgabe stellen, die einige Visionäre in dieser Gemeinde bereits vor 10 Jahren angepackt haben.
Ja, eine neue Struktur war nötig. Und wenn sie nicht damals umgesetzt worden wäre, dann stünden wir heute vor der Aufgabe. Alles richtig. Unbestreitbar. Kalte, rationale Gründe, die Sie sicherlich oft gehört und auch eingesehen haben. Aber nur weil der Kopf etwas verstanden hat, heißt das noch lange nicht, dass das Herz so auch fühlt.
Traurig sein über das, was nicht mehr ist, ist nachvollziehbar und in Ordnung. Und vielleicht ärgert es einen ja auch, wenn die „Neuen“, das heißt, diejenigen, die überhaupt erst in den letzten Jahren in dieser Gemeinde dazu gekommen sind, alles gefühlt in den Himmel loben: „Die wissen doch gar nicht, wie es früher mal war. Und die wissen vor allem überhaupt nicht, was wir alles durchgemacht haben!“ Das stimmt. Und vielleicht fällt es den Neuen genau aus diesem Grund tatsächlich sehr viel leichter das Positive zu sehen: Weil wir es gar nicht anders kennen. Das gilt für uns Hauptamtliche, aber eben auch für die vielen neuen jungen Familien, die wir über unsere Taufboxaktion erreichen, die Konfirmanden, deren Familien vor der Konfirmationszeit größtenteils überhaupt keinen Kontakt zur Kirchengemeinde hatten, die Kinder und Familien in den Kindertagesstätten unserer Gemeinde, die Zugezogenen, die neu Eingetretenen. Sie sehen das, was jetzt ist und sind damit zufrieden. Sie freuen sich, dass da was ist, dass Kirche da ist, etwas anbietet und gestaltet. Das sehen sie positiv. Und es gibt ja auch viel Positives in unserer Gemeinde. Das lässt sich ja gar nicht leugnen. Schauen Sie nur in diesen Gemeindebrief. In unserer Gemeinde steckt ganz viel Leben. Das hat auch das Gemeindefest gezeigt.
Und dennoch: Nicht jeder fühlt sich von unseren Angeboten „abgeholt“. Vor allem dann nicht, wenn diese Angebote nicht im eigenen Ort stattfinden. Das ist besonders schmerzhaft für die Orte, die vor der Fusion in mancher Hinsicht besser dastanden. Die Altgemeinde Trinitatis z. B. hatte es vor der Fusion über Jahre hinweg geschafft, eine halbe Pfarrstelle aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Damit hatte sie für ihre drei Orte allein einen Pastor mit voller Stelle zur Verfügung. Das waren natürlich paradiesische Zustände! Und nun befindet sich Alt-Trinitatis in geographischer Hinsicht am Rand einer großen Gemeinde, jeder Ort wird noch zu einem Dreizehntel von einem Hauptamtlichen-Team versorgt, in keinem der Orte wohnt ein Pastor/ eine Pastorin, und Wirringen musste sogar das Pfarrhaus, das zugleich als Gemeindehaus fungierte, aufgeben. Für Trinitatis hat sich deutlich etwas verändert. Mit „Zwölf-Apostel“ war „Kirche“ in Wassel, Müllingen und Wirringen im Ortsleben bei weitem nicht mehr so gegenwärtig. Das sind schmerzhafte Erfahrungen. Und Alt- Trinitatis ist mit diesen Erfahrungen ja nicht alleine. In vielen Orten mussten Federn gelassen werden. Und in den Orten, in denen es die deutlichsten Einschnitte gab, kommt ein Gefühl auf, das auch auf dem Gemeindefest zur Sprache kam: „Wir werden abgehängt“.
Um es nun aber einmal ganz deutlich zu sagen: Keiner soll in Zwölf-Apostel abgehängt werden! Niemand hat ein Interesse daran, dass einige Orte schlechter kirchlich „versorgt“ werden als andere. Im Gegenteil! Das Bestreben, alle Orte im Verhältnis zueinander zu bedenken ist ein wesentlicher Bestandteil der täglichen Planung und Organisation in dieser und für diese Gemeinde. Keiner soll abgehängt werden! Klar! Aber das ist natürlich leichter gesagt, als getan, und sicherlich ist diesem Anspruch kaum in Gänze gerecht zu werden. Was nicht heißt, dass wir es nicht weiter versuchen werden: immer wieder von neuem überlegen, wie wir die Menschen in allen Orten der Kirchengemeinde erreichen – wenn auch auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Angeboten.
Das wollen wir: keinen abhängen. Das können wir aber nicht alleine schaffen. Weder das Team der Hauptamtlichen noch der Kirchenvorstand, noch die bereits ehrenamtlich Engagierten. Wir brauchen euch, wir brauchen Sie! Wir brauchen Ihre Mitarbeit und Ihre Ideen: Was für ein Angebot fehlt und für welche Menschen, wo? Was soll in Ihrem Ort wiederbelebt werden, wozu wir dann die anderen Dörfer einladen können? Wie können wir euch so erreichen, dass ihr euch nicht abgehängt fühlt?
Wer Ideen hat, bitte her damit! Bitte denken Sie nur immer dran: Für jede neue Idee, muss eine alte Aktivität weichen – zumindest, wenn die neue Idee von denselben Personen umgesetzt werden soll! Auch für sein bezahltes Bodenpersonal hat der HERR nur sieben Tage in der Woche vorgesehen, und an einem dieser Tage soll ja bekanntlich sogar geruht werden – ein Gebot, was in unserem Team ohnehin viel zu oft missachtet wird. Wir können natürlich nicht einfach immer nur noch mehr machen. Wir sind momentan schon am Limit. Irgendwo muss dann auch wieder was gelassen werden. Aber vielleicht haben Sie ja genau dafür eine zündende Idee: „Lasst doch einfach mal ‚xyz‘ bleiben und macht stattdessen ‚ABC‘!“ Wenn sich genügend Menschen finden, die mitmachen, die anpacken und sich von der Idee begeistern lassen, dann können auch wieder neue Wege in dieser Gemeinde eingeschlagen werden. Wir bleiben für konstruktive und realistische Vorschläge offen, die den Zielen einer Kirchengemeinde nachkommen: Menschen den Glauben nahezubringen, für sie da zu sein in der Not, ihnen eine Heimat zu bieten in einer Gemeinschaft von Menschen, die sich als Nachfolger:innen Jesu Christi verstehen und seinem Auftrag folgeleisten, Gott zu lieben und einander, so wie sich selbst.
Wir wünschen uns Vorschläge aus der Gemeinde – vor allem, wenn Sie bessere Ideen haben, als diejenigen, die wir momentan umsetzen. Und wir wünschen uns auch, dass Sie uns Ihre Frustrationen und Traurigkeiten mitteilen: Kritik, Ärger, Enttäuschungen. Wenn wir nicht davon erfahren, können wir auch nichts ändern.
Es soll nicht alles schöngeredet werden. Das wäre nicht ehrlich. Alles schlechtreden hilft aber auch nicht weiter. Was hilft das für das gemeinsame Anliegen, lebendige Kirchengemeinde zu sein? Was hilft es dem Ruf von Kirche in einer Gesellschaft, die Kirche ohnehin kritisch beäugt? Tun wir uns selbst einen Gefallen damit, wenn wir uns schlechter machen, als wir sind?
Es hat sich viel verändert in den letzten 10 Jahren. Vieles war nicht leicht, und manche tun sich mit dieser großen Gemeinde immer noch schwer. Einiges war früher sicherlich besser, als „wir“ noch mehr waren in unseren Orten, größer, präsenter. Heute ist vieles anders. Das muss man nicht schönreden. Aber man kann über unsere Gemeinde durchaus schön reden. Denn in dem Anderen und Neuen ist auch viel Gutes! Und dieses Licht darf nicht unter den Scheffel gestellt, sondern muss unbedingt kundgetan werden (Mt 5,14-15), und zwar mit Freude und Dankbarkeit – besonders bei einem Jubiläum.
■ Für das Zwölf-Apostel-Team
Pastor Yorick Schulz-Wackerbarth
aus: Gemeindebrief 3 - 2022