Jahresthema

„Zeit für Freiräume“ – unter dieses Motto stellt die Evangelischlutherische Landeskirche Hannovers das Jahr 2019. Es geht darum, zu schauen, was wir in unseren Kirchengemeinden nicht etwa machen, sondern dezidiert lassen können und/oder sollten, um wieder den Blick für das Wesentliche zu schärfen. Ein Jahr für Unterbrechungen, Innehalten und Besinnung – eine geistliche und selbstkritische Herausforderung. Wollen wir das? Brauchen wir das in Zwölf- Apostel? Ist eine Auszeit tatsächlich bei uns dran? Es ist bei uns doch gerade so viel im Aufbruch: Neue Gruppen bilden sich, neue Projekte entstehen, neue Beziehungen werden zwischen Menschen unterschiedlicher Dörfer geknüpft. Es entsteht doch gerade was! Sollten wir da etwa auf die Bremse treten?
Vielleicht. Zumindest ein wenig. Vielleicht wäre es gut, wenn wir uns für 2019 vornehmen, nicht noch ein neues Projekt zu starten, nicht noch eine weitere Veränderung einzuführen. Vielleicht tut es uns gut, wenn wir uns tatsächlich in 2019 fragen: WARUM? Warum machen wir das eigentlich? Warum setzen wir uns für Kirche ein? Warum finden wir es wichtig, dass es uns als Kirchengemeinde gibt? Warum ist mir mein Glaube wichtig… und warum glaube ich überhaupt?
Sich besinnen auf das Wesentliche: Das ist der Auftrag hinter dem Appell, sich Zeit für Freiräume zu nehmen. Vielleicht lassen sich die wirklich wichtigen Dinge des Lebens auch nur in solchen Freiräumen finden. Zeit benötigt die Entdeckung dieser Dinge allemal. Das könnten wir uns tatsächlich für 2019 vornehmen: Uns Zeit nehmen – für uns, für einander… für Gott.
Das wird sicher nicht in allen Aspekten unseres Gemeindelebens funktionieren. Das „laufende Geschäft“ wird natürlich weiterhin laufen und auch einige der Neuerungen, die bereits ins Rollen gebracht worden sind, werden notgedrungen weiter „rollen“ müssen.
Dennoch lassen sich sicher einige Akzente setzen: Wir können hier und da mal kleinere, mal größere Freiräume schaffen; wir können uns bewusst Zeit freihalten; wir können ein Innehalten inszenieren und Besinnung gezielt zulassen. Die Frage, wie das konkret aussehen könnte, werden wir in den folgenden Gemeindebriefen unter verschiedenen Gesichtspunkten aufgreifen und reflektieren. Auch in unseren EINER FÜR ALLE Gottesdiensten in 2019 wird uns die Frage nach den Freiräumen und der Suche nach einem „Sich-Zeit-Nehmen- Für…“ beschäftigen.
Für unsere Sommerkirche haben wir uns etwas besonders ausgedacht: „Zeit für Fragen“ lautet das Motto. Verraten wollen wir an dieser Stelle nur so viel: Es soll um IHRE und EURE Fragen gehen. Worüber würden Sie gerne mal eine Predigt hören? Welche Frage wolltest du immer schon mal über den Glauben stellen? In der Sommerkirche 2019 wollen wir für diese Fragen Freiräume schaffen. Die Fragen werden wir bereits beim ersten EINER FÜR ALLE Gottesdienst am 27. Januar in Algermissen sammeln. Sie können uns Ihre Themenvorschläge aber auch schriftlich zukommen lassen, z. B. nach jedem Gottesdienst. Bis zur Sommerkirche kann dann über diese Fragen online abgestimmt werden. Sie kennen sich mit dem Internet nicht aus? Dann fragen Sie doch mal jemanden aus der jüngeren Generation. Die helfen Ihnen bestimmt. Oder kommen Sie in den Gottesdienst oder zu anderen Gemeindeveranstaltungen. Z. B. zu „Brot und Butter“. Dort liegen auch Stimmzettel für die Gottesdienstthemen der Sommerkirche bereit.
Die 6 Fragen mit den meisten Stimmen werden wir in den Gottesdiensten aufgreifen. Wir sind gespannt was dabei herauskommt. Ein echter offener Raum – ein Freiraum.
„Zeit für Freiräume“ – brauchen wir das? Wir meinen schon. Aber: Finden wir es doch einfach gemeinsam heraus in 2019!
Pastor Yorick Schulz-Wackerbarth
Aus: Gemeindebrief 4 - 2018

Freiräume im Alltag schaffen und gestalten
„2019 wird es in der Evangelischlutherischen Landeskirche Hannovers ‚Zeit für Freiräume‘ geben: ein Jahr für Aufbrüche und Fragen, für Unterbrechungen, Besinnung und vielleicht auch für Neubeginn. Die Welt verändert sich rasant, was bedeutet das für uns persönlich und für die kirchliche Arbeit? Was wollen wir tun? Was wollen wir lassen oder verändern? Was gibt uns Kraft, und wo finden wir Hoffnung? Wir nehmen uns Zeit und denken über ‚Freiräume‘ nach. Um des Menschen willen.“
Mit diesen Worten kündigte die Landeskirche ihr Projekt für 2019 an. Am 6. Januar wurden dann in allen Sprengeln der Landeskirche Auftaktgottesdienste zum Start der „Zeit für Freiräume“ gefeiert. Freiräume schaffen. Impulse setzen. Sich Zeit nehmen für Unterbrechungen des Gewohnten. Viele Menschen klagen über die Fülle an Ereignissen in ihrem beruflichen und privaten Umfeld. Einfach mal zur Ruhe kommen, das ist für viele gar nicht so einfach. Zeit haben, um einmal etwas Neues auszuprobieren, das bleibt für viele im stetigen Alltag ein unerfüllter Wunsch. Und andererseits ist es auch für diejenigen, die Zeit haben, immer wieder eine Herausforderung, ihre Freiräume mal mit anderen Inhalten zu füllen.
Was wäre für Sie ein persönlicher Freiraum? Denken Sie einmal darüber nach: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, einfach mal etwas lassen zu können, was fällt Ihnen dann spontan ein? Keine Steuererklärung ausfüllen müssen … kein Staubwischen … keine anstrengenden Familienbesuche am Weihnachtsfest … keine aufgedrückten Überstunden … keine Hausaufgaben … nicht den Müll runterbringen müssen?
Die Antworten würden bei jedem verschieden ausfallen. Menschen empfinden Unterschiedliches als lästig oder belastend, wovon sie sich gerne einmal befreien würden. Ein erster Schritt ist, sich dessen bewusst zu werden. Und ein zweiter, sich zu überlegen, ob es nicht doch irgendwie möglich ist, sich Freiräume zu verschaffen. Okay, manches muss sein. Das lässt sich nicht ändern. Aber werfen Sie nicht zu schnell das Handtuch. Muss wirklich alles sein? Oder kann ich nicht auch mal etwas lassen? Muss es immer ein Vier-Gänge-Menü sein, wenn Gäste kommen? Muss ich jeden Film gesehen haben, um mitreden zu können? Vielleicht lassen sich ja auch Tätigkeiten tauschen? Mir macht es wirklich nichts aus, den Meerschweinchenkäfig sauber zu machen, wenn du dafür mit dem Hund raus gehst.
Hier setzt die kreative Idee der „Zeit für Freiräume“ an. Entdecken Sie, wie Sie sich auch gegenseitig Freiräume ermöglichen können. Oder bauen sie ganz bewusst regelmäßige Unterbrechungen im Alltag ein. Hierfür hat ein Mitarbeiter der Landeskirche eine App entwickelt, die man sich kostenlos auf sein Handy laden kann. Sie erinnert einen regelmäßig daran, in seinem Arbeitsfluss mal eine Pause einzulegen, und sich Gedanken zu machen über neue Impulse. Wer mehr dazu wissen möchte: Schauen Sie mal im Internet nach unter „xrcs app“.
Freiräume schaffen. Manches kann warten. Nicht alles muss sofort erledigt werden. Und dann gönnen Sie sich etwas Schönes. Was wollten Sie denn immer schon mal tun, wenn Sie die Zeit dafür hätten? Ins Fitnessstudio gehen … einen Tanzkurs besuchen … auf dem Elbe-Radweg entlang radeln … ein Musikinstrument lernen … jeden Tag einen ausgiebigen Spaziergang machen … gesünder kochen und mehr Zeit zum Essen nehmen … in der Bibel lesen? Auch hier fallen die Antworten wieder sehr unterschiedlich aus. Nicht alle unsere Wünsche werden wir umsetzen können. Aber was hindert uns eigentlich daran, nicht doch das eine oder andere mal auszuprobieren oder in die Tat umzusetzen?
Freiräume genießen. Das hat nichts mit Faulsein zu tun. Der Mensch braucht auch Zeiten der Muße, um wieder Kraft zu schöpfen, oder sich auf das Wesentliche besinnen zu können. Auch das soll die „Zeit der Freiräume“ ermöglichen. Vielleicht kennen Sie die Aktion in der Fastenzeit „Sieben Wochen ohne.“ Auch da wird ganz bewusst auf manches verzichtet – nicht nur auf Schokolade und Fernsehen, oder Computer und Alkohol. Sieben Wochen kann man auch nutzen, um sich Freiräume zu schaffen: für ein besonderes Verhalten – ich gehe jeden Tag eine Stunde spazieren. Für feste Verabredungen – wir essen jeden Tag zusammen Abendbrot. Für einen besonderen Umgang miteinander – ich sage dir jeden Tag ein nettes Wort. Für ehrliche Gedanken – ich rede nicht um den heißen Brei herum und sage, was ich denke. Für den Besuch der Passionsandachten – ich erfahre Stille und Gemeinschaft.
Freiräume. Entdecken und gestalten Sie Ihre ganz persönlichen Freiräume. Und wenn Sie mögen, entdecken und gestalten Sie die „Zeit für Freiräume“ auch mit anderen gemeinsam. Aber dazu mehr im nächsten Gemeindebrief.
Pastorin Annegret Austen
Aus: Gemeindebrief 1 - 2019

Drei Wege, um Gott im Alltag zu erleben
Freiräume – So lautet unser Jahresthema, das uns 2019 begleitet.
Nachdem Kollegin Austen im letzten Gemeindebrief ihre Gedanken zum Thema Freiräume für mich – Was ich tun und lassen möchte niedergeschrieben hat, geht es für mich heute um die Frage: Freiräume für Gott – Was kann ich tun, um Gott im Alltag zu begegnen?
Vorab ein kurzer, aber wichtiger Ausflug in die Dogmatik: Wir können über Gott nicht verfügen! Wenn wir Gott begegnen und ihn erleben, ist das sein Geschenk an uns. Ein Geschenk, das wir uns nicht selber machen, sondern das wir nur empfangen können. Eine Gottesbegegnung ist und bleibt unverfügbar. Das kann ich auch biografisch unterschreiben: Ich erinnere mich an Lebenssituationen, in denen ich das Gefühl hatte, keinen Zugang zu Gott zu finden, obwohl ich mich sehr danach gesehnt habe. Martin Luther spricht in diesem Zusammenhang vom verborgenen Gott, vom deus absconditus, den wir Menschen trotz aller Anstrengung nicht erkennen oder verstehen können. Diese verborgene Seite Gottes gehört zu ihm. Und zu unserem christlichen Glauben gehört es, diese – für uns oft schmerzhafte – Verborgenheit Gottes auszuhalten. Kennen Sie auch solche Momente, in denen Sie sich fragen: „Wo ist Gott jetzt? Wieso mutet er mir das zu? Wieso greift er nicht ein? Wieso dringe ich nicht zu ihm durch?“
Gott-sei-Dank gibt es nicht nur solche Momente in meinem Glaubensleben! Es gibt auch Zeiten, in denen ich Gott erleben kann, in denen ich sicher bin, dass er da ist, dass er sich um mich kümmert und in meinem Leben wirkt und handelt. Auch Luther, der Zweifel und Anfechtung gut kannte, ist überzeugt: Gott ist nicht nur verborgen, er offenbart sich auch! Wir erleben ihn nicht nur als deus absconditus, sondern auch als deus revelatus: den sich offenbarenden Gott. Den lebendigen Gott, der erfahrbar ist, der uns nah kommt und uns spürbar beschenkt. Luther hofft und glaubt (und ich tue das mit ihm), dass sich der deus revelatus am Ende immer durchsetzen wird. Dass er sich Jahresthema Freiräume – Für Gott Drei Wege, um Gott im Alltag zu erleben wieder finden lässt, dass er selbst seine eigene Verborgenheit durchbricht und zu uns vordringt. Aber eben nicht, weil wir etwas tun, sondern weil er es selbst tut.
Und doch bin ich überzeugt: Wir können etwas tun, um Gott zu begegnen. Wir können Voraussetzungen für eine Gottesbegegnung schaffen und Hindernisse dafür aus dem Weg räumen. Wir können uns selbst auf die Suche nach Gott machen – und werden ihn hoffentlich auch finden! Denken Sie an Jesu Ausspruch: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ (Lk 11,9).
Aber wie geht das? Welche Wege können wir einschlagen, um Gott zu erleben?
Ich will Ihnen heute von drei Wegen berichten, von denen ich glaube, dass sich Gott auf ihnen finden lässt. Es gibt noch mehr als diese drei und nicht jeder wird etwas für Sie sein – wir Menschen sind unterschiedlich und erleben Gott eben auch auf unterschiedliche Weise.
1. Stille
Gott wohnt in der Stille. Als er dem Prophete Elia begegnet, heißt es (1. Könige 19,11 f.): „Und siehe, der HERR ging vorüber. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.“ Wir sehen: Gott zeigt sich ganz unspektakulär! Nicht im Sturm, nicht im lauten Getöse von Erdbeben und Feuer, sondern in einem stillen, sanften Sausen. Wenn wir bewusst still werden, und uns auf Gott besinnen, kann es sein, dass wir ihm darin begegnen. Schade nur, dass es so selten still um uns ist! Ich muss mir solche Momente bewusst nehmen. Ob zuhause „im stillen Kämmerlein“, im Gottesdienst oder durch eine bewusste Auszeit, wie zum Beispiel die Schweige-Exerzitien im Kloster Bursfelde, die ich letztes Jahr mitgemacht habe. Da wird gleich mehrere Tage geschwiegen – eine besondere Erfahrung! Wäre das auch mal was für Sie?
2. Bibel
Nicht ohne Grund nennen viele Christen die Bibel „Heilige Schrift“. Über Jahrhunderte hinweg haben Christen in und zwischen ihren Zeilen Gott entdeckt. In den Geschichten, die Menschen mit ihm erlebt haben. In den Worten, die er durch seine Propheten gesprochen hat. In den Berichten über Jesus, in dem Gott einer von uns wurde. Immer wieder merke ich, wie einzelne Bibelworte oder -verse in meine Situation passen und Gott so in mein Leben hineinspricht. Kennen Sie zum Beispiel die „Losungen“? Das sind zwei Bibelverse für jeden Tag; einer aus dem Alten und einer aus dem Neuen Testament. Sie finden Sie zum Beispiel auf unserer Homepage oder auch kostenlos als App fürs Smartphone in Ihrem Appstore.
3. Christliche Gemeinschaft
„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ verheißt Jesus in Matthäus 18,20. Und ich kann bestätigen: Ich erlebe Gott häufig in christlicher Gemeinschaft. Die gibt es bekanntlich in ganz verschiedenen Formaten, auch in unserer Gemeinde: bei „Brot und Butter“; beim Gespräch mit einem guten Freund; in einem Gottesdienst (oder auch im geselligen Teil danach); im Hauskreis; wenn wir miteinander singen oder beten. Haben Sie schon Ihre „Lieblingsform“ von christlicher Gemeinschaft gefunden?
Drei verschiedene Wege, Gott zu begegnen. Ich kann nur wiederholen: Es geht dabei nicht um Automatismen (nach dem Motto: Sobald ich still werde, Bibel lese, in christlicher Gemeinschaft bin, erlebe ich eine Gottesbegegnung). Gott lässt nicht über sich verfügen. Aber die Chancen stehen gut, ihn auf diesen oder anderen Wegen zu erleben. Denn er hat verheißen, sich von uns finden zu lassen.
Pastor Raphael Below
Aus: Gemeindebrief 2 - 2019

Warum die „Anderen“ eigentlich so wichtig sind – und wer sie sein könnten
Hier ist sie, die vierte und letzte Ausgabe unseres Jahres-Themas „Freiräume“.
Nach grundsätzlichen Überlegungen zur Sinnhaftigkeit von Freiräumen haben wir bei uns selbst angefangen: „Freiräume für mich.“ „Freiräume für Gott“ war Thema im letzten Gemeindebrief. Dieses Mal lautet es „Freiräume für Andere“.
Die Anderen? Sind die wirklich so wichtig für uns Christen? Muss ich für die denn überhaupt Freiräume schaffen? Ist es nicht viel wichtiger, Gott zu ehren und in unserem persönlichen Glauben zu wachsen?
Antwort: Das Eine geht nicht ohne das Andere. Gott kann nicht adäquat von uns geliebt werden, wenn wir nicht auch unsere Mitmenschen lieben. Ganz deutlich wird das im 1. Johannesbrief, Kapitel 4,20. Da heißt es: „Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht.“ Und auch Jesus macht das in der „Goldenen Regel“ (Matthäus 22,37-40) klar: Ebenso wichtig wie Gott zu lieben ist es, unsere Nächsten und uns selbst zu lieben.
Für uns Christen führt also kein Weg an unseren Mitmenschen vorbei. Andere zu lieben und für sie da zu sein ist elementarer Bestandteil unseres Glaubens.
Aber wer sind denn eigentlich diese „Anderen“, für die ich Freiräume schaffen soll? Ich habe mal zwei besondere Zielgruppe unter der Masse an „Anderen“ ausgewählt, von denen ich überzeugt bin, dass sie unsere Freiräume, unsere Aufmerksamkeit und unsere Liebe besonders verdient haben.
1. Familie
Das wird keine große Überraschung für Sie sein. Ich vermute, wenn Sie, liebe Leser, gefragt würden, welche Menschen Ihnen am wichtigsten sind, würden Sie sofort antworten: „Meine Familie“. Das ist schön! Aber räumen Sie Ihrer Familie auch Freiräume ein? Lassen Sie sie Ihre Liebe auch spüren?
Ich erlebe häufig, dass gerade die Menschen, die uns am wichtigsten sind (Partnerin oder Partner, Mutter und Vater, Söhne und Töchter oder Geschwister) als selbstverständlich betrachtet werden. Die sind halt da, die gehören fast schon zum Inventar, sind aber nichts Besonderes. Ja, Familie ist uns wichtig! Aber weil wir ständig mit ihr zu tun haben, nehmen wir uns nur selten Freiräume für sie.
Ich muss mir da auch an die eigene Nase fassen. Auch für mich ist es eine Herausforderung, meiner Familie Platz in meinem Leben einzuräumen.
Ein paar Dinge, die mir bzw. uns als Familie dabei helfen, sind:
- Der gemeinsame freie Tag (meistens ist es der Mittwoch) mit meiner Frau: Ein Tag, an dem wir uns nicht nur mit dem beschäftigen wollen, was erledigt werden muss, sondern an dem wir uns auch Zeit für einander nehmen, ausführlich zusammen frühstücken, Essen gehen oder etwas anderes unternehmen, was uns gut tut.
- Brüder-Wochenenden: Einmal pro Jahr versuchen meine drei Brüder und ich, ein Wochenende miteinander zu verbringen. Auch da unternehmen wir vieles, was uns Spaß macht: Beachvolleyball, Wakeboarden, Grillen oder Spazieren. Aber an so einem Wochenende finden wir auch immer Zeit, miteinander zu reden und zu hören, was die Anderen gerade beschäftigt.
- Familien-Urlaub: Einmal pro Jahr fahren wir im größeren Familienkreis (mittlerweile sind das ca. 20 Leute) für ein verlängertes Wochenende oder eine ganze Woche zusammen weg.
Hinter allen drei Dingen steht die Erkenntnis, dass Beziehungen, auch die in der Familie, keine Selbstläufer sind. Sie brauchen Freiräume. Zeiten, um einander zuzuhören. Zeiten, um für einander da zu sein. Zeiten, um unsere Nächsten, um unsere Familie zu lieben.
2. Bedürftige
Es gibt eine Gruppe von „Anderen“, für die Gott eine besondere Leidenschaft hat.
Die Bibel nennt zahlreiche Bezeichnungen für sie: „Witwen und Waisen“, „Fremdlinge“, „Arme“, „Kranke“, „Geringe“ und noch viele mehr. Alle haben gemeinsam, dass sie in irgendeiner Form bedürftig sind und darunter leiden. Durch die ganze Bibel, vom mosaischen Gesetz über die Prophetenbücher bis hin zu Jesus und den Aposteln, zieht sich Gottes Appell an uns, für diese Menschen einzutreten. Die Anderen, unsere Nächsten, das sind die Menschen, die unsere Hilfe nötig haben! Sie sollen wir lieben! Für sie sollen wir eintreten!
Für mich heißt das: Ich muss mir Freiräume für diese Menschen nehmen. Denn auch hier gilt: Von nichts kommt nichts. Wenn ich bedürftigen Menschen nicht ausdrücklich Raum und Zeit einräume, werden sie in meinem Leben keine Rolle spielen. Wie ich diese Räume und Zeiten dann fülle, ist unterschiedlich.
Es kann ein Besuch bei einer Kranken sein. Eine Münze, die ich dem Obdachlosen zustecke, wenn ich mal in Hildesheim bin. Es kann auch eine Petition zur Freilassung eines politischen Gefangenen sein. Oder eine Überweisung an die UNHCR (die Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen), die versucht, den über 70 Millionen Menschen zu helfen, die weltweit auf der Flucht vor Terror, Krieg und Hunger sind.
Nochmal: Von nichts kommt nichts. Darum fragen Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, und fragen Sie Gott, welche Menschen Ihre „Anderen“ sein könnten! Ihr Partner? Ihre Familie? Menschen, deren Leid Ihnen zu Herzen geht?
Und dann: Nehmen Sie sich Zeit für diese Leute! Schaffen Sie Freiräume für sie!
Ihr Pastor Raphael Below
Aus: Gemeindebrief 3 - 2019