2025
(Dezember 2025)
„Das wird ja jetzt nicht leicht, ohne Annegret.“ Diesen Satz habe ich oft gehört in den letzten Monaten. Fürsorglich und verständnisvoll ergänzte dann der ein oder andere: „Ihr seid ja dann nur noch zu zweit. Ihr könnt das nun gar nicht mehr alles schaffen.“ Das stimmt. Mit Annegret Austen waren wir richtig gut aufgestellt. Annegret hat viel, ja sehr viel beigetragen, gemacht und geschafft – vieles davon sogar im Verborgenen. Ihr war es ein echtes Anliegen, auf möglichst alle Wünsche und Belange aus der Gemeinde einzugehen. Dafür wurden auch Nachtschichten eingelegt und freie Tage bereitwillig geopfert. Es muss kaum gesagt werden: Ohne Annegret wird uns auf jeden Fall jemand fehlen, und ja, es werden spürbare Änderungen auf die Kirchengemeinde zukommen.
So stehen wir nun da, mit einem „halb leeren Glas“ in der Hand. Das ist durchaus zu beklagen.
Gerade in diesen Tagen blicke ich aber zurück auf ein Jahr voller Superlative und Wunder: Christoph Tödter hat sich so schnell und umfassend in unserer Gemeinde eingebracht, als sei er schon immer Teil des Teams gewesen; wir haben mit Pauline Karg eine fantastische Posaunenchorleiterin als Nachfolgerin für Mathis Schüle gefunden; der diesjährige Konfiball war wieder der Kracher und auch unser Kinderchor landete mit ihrem Musical „Mose“ einen echten Hit; Jugendliche aus unserer Kirchengemeinde erlebten mit Pastor Tödter eine eindrucksvolle Freizeit in Spanien, und wir sind mit einem neuen Rekordwert von 54 Konfirmand:innen in den neuen Jahrgang gestartet; Cantiamo hat mit zwei ausverkauften Konzerten auf spektakuläre Art ihr 10-jähriges Bestehen gefeiert, und die Scheune von Ehepaar Diers quoll an Erntedank mit 540 Menschen aus allen Nähten; ohne eine befürchtete Vakanzzeit konnte für unseren St. Nicolai-Kindergarten eine neue Leiterin gefunden werden, die Arbeit mit unseren 5 Kitas ist und bleibt lebendig und unsere Kindergottesdienste in 4 Orten sind Anlaufstelle für viele junge Familien; unsere Fördervereine haben mit Konzerten, Veranstaltungen und Feiern ein beeindruckendes Programm auf die Beine gestellt und wir sind (auch dank unserer Fördervereine) nach wie vor in der Lage, eine Viertel-Pfarrstelle selbst zu finanzieren; Taufen und Trauungen ebben bei uns nicht ab, und zusammen mit unseren Lektorinnen und Gastprediger:innen haben wir noch immer eine abwechslungsreiche Gottesdienstlandschaft zu bieten. Für mich ganz persönlich gehörte auch der Abendgottesdienst mit „12-Mal Liebe aus 12-Apostel“ zu den kleinen Wundern in diesem Jahr.
„OK, schön und gut, du alter Schwärmer! So mag es ja gewesen sein. Aber jetzt, jetzt ohne Annegret, jetzt geht es doch sicherlich nur noch bergab, oder?“
Nun, wenn wir mal ehrlich sind, haben wir das schon oft gedacht: als Gemeindehausflächen gekürzt wurden, als Raphael Below die Kirchengemeinde verlassen hat, als Stellenkürzungen angestanden haben… Und jedes Mal, ja wirklich jedes Mal, sind wir überrascht worden mit immer wieder neuen wunderbaren Wendungen, energetisierenden Ereignissen und fabelhaften Fügungen.
Ja, der Abschied von Annegret ist richtig schmerzhaft, und, ja, es gibt nun nur noch zwei Pastoren in Zwölf-Apostel. Aber zum einen bin ich nun wieder mit voller Stelle in der Gemeinde, zum anderen, und viel wichtiger noch: wir sind nach wie vor mit einem starken Hauptamtlichen-Team unterwegs, ein Team, das – Gott sei dank – eben nicht nur aus Pastoren besteht. Mit unserer Regionalassistentin, Bianca Kotyrba-Fiedler, unserer Gemeindemanagerin, Carmen Fischer, und unserer Diakonin, Elvira Fink, sind wir als multiprofessionelles Team richtig gut aufgestellt. Darüber hinaus haben wir einen engagierten Kirchenvorstand, der sich mit großem Eifer für die Gemeinde einsetzt.
„Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen“ (Mt 6,34). Das hat Jesus in der Bergpredigt gesagt. Und bisher hat „der morgige Tag“ bei uns nicht lediglich „für das Seine“ gesorgt, er hat uns vielmehr immer wieder reich beschenkt.
Nach meinem Empfinden war das vermeintlich halbleere Glas immer schon viel voller, als es hätte sein dürfen. Und deshalb bleibe ich auch für die Zukunft zuversichtlich, denn auch in diese nächste Zeit gehen wir nicht allein!
Ihr Pastor Yorick Schulz-Wackerbarth
Gemeindebrief Nr. 4 - 2025 | Dezember 2025 bis Februar 2026
(September 2025)
In meinem Elternhaus hing eine Postkarte an der Pinnwand. Auf ihr war eine Ziegelmauer abgebildet, auf der mit krakeliger Kinderhandschrift geschrieben stand:
Mit meinem Gott kann ich
über Mauern springen.
(Psalm 18,30)
Mein Vater hatte sie vor einer schweren Herz-OP von einem Krankenhausseelsorger geschenkt bekommen. Nach seiner Genesung fand diese Karte einen Platz in seinem Alltag und erinnerte ihn bei jedem Blick auf die Karte an den Trost, den er in einer schwierigen Zeit erfahren hat. Nichts ist so groß, so bedrückend, so ungewiss, als dass ich es nicht mit Gott an meiner Seite bestehen kann.
Wie oft ergeht es uns so, dass wir gefühlt vor einer unüberwindbaren Mauer stehen. Kein Schritt scheint möglich. Wir haben keine Ahnung, was sich hinter dieser Mauer verbirgt. Eine Mauer, die unseren Blick versperrt. Eine Mauer, die uns ausgrenzt.
Manchmal macht uns eine solche Mauer Angst, manchmal erweckt sie aber auch Neugierde in uns. Wie es wohl dahinter aussieht? Manchmal entfacht die Existenz einer Mauer das Verlangen, vom Leben hinter der Mauer zu erfahren.
Oft sind es ja nicht reale Mauern, die uns wie ein Hindernis vorkommen, sondern die Mauern, die in den Köpfen der Menschen existieren, gebaut aus Steinen unserer Angst. Woher bekommen wir Kraft, Mauern zu überwinden, sie einzureißen oder wenigstens mit einem Durchlass zu versehen? Wie stillen wir unsere Sehnsucht nach dem Leben auf der anderen Seite der Mauer?
Isaac Newton (1643 – 1727) hat einmal gesagt: „Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken.“ Ich weiß nicht, ob dieser Allroundwissenschaftler aus der Barockzeit damit auch diejenigen Brücken gemeint hat, die sinnbildlich für das Überwinden von Tälern und Hindernissen zwischen Menschen stehen. Brücken, die Verbindungen schaffen zwischen Gedanken und Kulturen, zwischen Generationen und Religionen. Brücken, die Menschen ermöglichen, in Kontakt zu treten, sich auf kurzem Weg auszutauschen und um Werte zu ringen, mit denen ein Zusammenleben aller möglich ist. Solche gedanklichen Brücken sollten wir wahrlich öfter bauen als unüberwindliche Mauern.
Ich denke, mit unserem Gott können wir nicht nur wie der Psalmbeter bekennt, über Mauern springen, sondern Gott gibt uns auch den Mut und die Kraft zum Brückenbauen, um anderen Menschen zu begegnen, sie kennenzulernen, sie bei uns willkommen zu heißen.
Wie aktuell ist doch immer noch das Lied „Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“ von Kurt Rommel aus dem Jahr 1963, das auch in unserem Gesangbuch steht. Wir sollten es viel öfter singen – und vor allem danach handeln.
Pastorin Annegret Austen
gib mir den Mut zum ersten Schritt.
Lass mich auf deine Brücken trauen,
und wenn ich gehe, geh du mit.
Ich möchte gerne Brücken bauen,
wo alle tiefe Gräben sehn.
Ich möchte hinter Zäune schauen
und über hohe Mauern gehn.
Ich möchte gern dort Hände reichen,
wo jemand harte Fäuste ballt.
Ich suche unablässig Zeichen
des Friedens zwischen Jung und Alt.
Ich möchte nicht zum Mond gelangen,
jedoch zu meines Feindes Tür.
Ich möchte keinen Streit anfangen,
ob Friede wird, das liegt bei mir.
Text: Kurt Rommel
Gemeindebrief Nr. 3 - 2025 | September 2025 bis November 2025
(Juni 2025)
Er hat einen weiten Weg. Aber manchmal kommt er bis hierher zu uns und da kriecht er dann in alle Ritzen. Wie ein feiner, dünner Schleier legt er sich über jeden Ort und alles: eine hauchdünne Schicht rotgelber Sand – Saharastaub. Aus der nordafrikanischen Wüste wehen ihn Winde weite Wege nicht nur bis nach Europa, sondern sogar über den Atlantik in die Regenwälder. Der Regen wäscht ihn hier und da dann irgendwann ab und nichts bleibt, was noch daran erinnert. Auf einmal ist er wieder weg, fast so schnell, wie er gekommen ist.
Der Saharastaub ist ein eigenartiges Phänomen. So fein, fast unsichtbar und doch kräftig. Aber wenn die Luft voll davon ist, kann er sogar das Licht der Sonne verändern. Sie scheint dann anders: weniger hell und ein wenig gedimmt. Ist der Staub dicht genug, lässt sich die Sonne wie im Nebel als rotoranger Kreis mit bloßem Auge am Himmel sehen und betrachten. Sonst geht das nicht. Das kann dann eine ganz eigene, besondere Stimmung sein, die genauso schnell auch wieder verfliegt. Einen Moment lang ist es so, vielleicht auch einen Tag oder zwei, bevor es auf einmal wieder vorbei ist; Sekundenglück.
Und weil ich weiß, dass mir solche Dinge oft viel zu selten in Erinnerung bleiben, habe ich angefangen, mir eine Liste zu schreiben. Neben Aufgaben und Einkaufslisten oder Pack- und Geschenkelisten, habe ich eine Liste mit schönen Dingen. Manchmal steht da nur ein Stichwort, manchmal ist es ein Satz, je nachdem. Gerade immer so viel, dass es mich wieder an die Schönheit in diesem Moment erinnert. Das sind oft kleine alltägliche Dinge, die mir durch Zufall aufgefallen sind: ob verdrehte Worte, ein besonderer Geruch oder eben der Saharastaub, an den ich seitdem immer wieder denken muss. Und im Matthäusevangelium sagt Jesus:
Seht euch die Wiesenblumen an:
Sie wachsen, ohne zu arbeiten
und ohne sich Kleider zu machen.
Ich sage euch:
Nicht einmal Salomo in all seiner Herrlichkeit
war so schön gekleidet wie eine von ihnen.
(Matthäus 6,28 – 29)
Auch dieser Vers ist so ein Blick auf das Kleine und das Unscheinbare. Er erinnert an die Schönheit dieser Welt. Aber was die Wiesenblumen und jede Erinnerung auf der Liste schön macht, ist nicht ihre Perfektion. Nicht weil sie wunderbar symmetrisch sind oder weil die Farben klar und deutlich wären, sind sie schön. Schönheit ist noch etwas anderes und auf meiner Liste stehen auch nicht nur makellose Bilder. Wirklich schön ist eher das, was mich bewegt und fasziniert. Das ist mehr als das, was ich nur sehen, riechen oder hören kann und es ist gut, dass es das gibt. Weil eben auch das zu dieser Welt dazugehört, neben allem, was sonst noch ist.
Meine Liste lenkt mich ab, immer nur bei dem zu bleiben, was gerade nicht leicht ist oder eigentlich nur schwer zu ertragen. Sie erinnert mich daran, hinzugucken und so füllt sie sich langsam immer wieder. Eine Liste voller Schönheit, gegen die Nachrichtenlage, eine volle Woche und manchmal auch geplatzte Träume. Das ist die Erinnerung, dass das nicht alles ist. Es gibt so viel Schönes, das viel zu schnell vergeht oder wieder verschwindet. Aber jeder einzelne Punkt wird zum kleinen Gegengewicht, das zwar allein nicht alles aufwiegen kann, das aber von einem Leben erzählt, das mehr ist und sich jeden Tag lohnt. Eben weil diese Welt doch auch so schön sein kann.
Pastor Christoph Tödter
Gemeindebrief Nr. 2 - 2025 | Juni 2025 bis August 2025
(1. Thessalonicher 5,21) -- (März 2025)
Das ist doch eigentlich selbstverständlich! Warum sollte man auch das Schlechte behalten?
Nun ja, wenn wir mal ehrlich sind, „behalten“ wir schon ziemlich viel, was weder uns noch anderen guttut.
Das fängt beim verführerischen Genussmittel an, von dem ich ganz genau weiß, dass es schädlich für meinen Körper ist, dass es abhängig macht und nicht zuletzt davon ablenkt, mich mit der Frage auseinanderzusetzen, warum ich mir das immer wieder antue.
Das ist aber auch die Lästerei, die wir weitererzählen, obwohl wir wissen, dass sie rufschädigend und ganz bestimmt nicht fair ist. „Gut“ ist die Verbreitung von unfundierten Gerüchten und bösartigem Gerede sicherlich nicht – weder für den Geschädigten, noch für meinen eigenen inneren Frieden.
Wird die Frage nach dem „Guten“ bei unserem politischen Wahlverhalten eine Rolle spielen? Oder sind andere innere Stimmen, Instinkte und Triebe stärker? Viele Wähler:innen haben vor mit ihren Kreuzchen Demagogen zu stärken, die öffentlich und unverfroren Zwietracht in unserer Gesellschaft sähen, Hass und Misstrauen zwischen Menschen verbreiten.
Haben wir alles geprüft und werden wir mit unserer Stimme dazu beitragen, das Gute zu bewahren?
Es mag für Viele wie simplistische Schwärmerei klingen, ja vielleicht sogar heuchlerisch, wenn wir in der Kirche immer wieder von „dem Guten“ sprechen und dazu ermahnen – schließlich ist auch bei uns nicht alles gut. Und ist es nicht auch weltfremd, so kindlich das Gute zu predigen, wenn Krisen und Kriege, wirtschaftliche Herausforderungen und geopolitische Umbrüche unsere vermeintlichen Sicherheiten und unseren Wohlstand bedrohen? Müssten auch wir da nicht etwas pragmatischer werden, im Kampf ums Überleben auf dem globalen Markt ein paar moralische Federn lassen, in erster Linie für uns selbst sorgen, damit wir „wieder in einem Land leben, auf das wir stolz sein können“?
Die Bibel, unser christlicher Glaube, hält dagegen: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Und wenn wir ehrlich sind, wissen wir oft sehr genau, was das Gute ist. Wir entscheiden uns nur immer wieder dagegen, weil der (vermeintlich!) eigene Vorteil zu verlockend ködert, weil es anstrengend ist, den inneren Trieben und niederen Instinkten nicht ungefiltert nachzugeben, weil wir uns von Angst und Misstrauen leiten lassen, statt darauf zu vertrauen, dass es das Gute wirklich gibt, dass es (zumindest verborgen) in allem steckt, immer wieder durchdringen kann, und es sich lohnt, nach diesem Guten zu suchen.
Am Anfang, so heißt es, blickte der Schöpfer auf alles, was er gemacht hatte, „und siehe, es war sehr gut.“ (Genesis 1,31) Das gilt für jeden Anfang, jeden Neuanfang, der das Gute ersehnt, immerzu und immer wieder. Es ist da, das Gute. Es kann entdeckt, hervorgehoben, gefördert, gestärkt werden. Das ist unsere Aufgabe als Christ:innen, das Gute immer wieder zu suchen und zu bewahren. Das ist aber auch eine Verheißung an uns, ein Versprechen, dass wir nicht vergebens suchen, sondern auf etwas Reelles hoffen.
Es tut uns selbst gut, wenn wir den Glauben an das Gute nicht verlieren. Es tut aber auch unseren Mitmenschen, unserer Gesellschaft, unserer Welt gut, wenn wir dem Zynismus, dem Nihilismus, der Gleichgültigkeit und der Boshaftigkeit etwas entgegenhalten: den Glauben an das Gute und das Bemühen darum, das Gute zu bewahren.
Es ist leider nicht selbstverständlich, dass wir immer nur das Gute behalten. Wir halten an ganz schön viel Schlechtem fest. Die Jahreslosung ist da ein hervorragender Vorsatz und eine beglückende Perspektive zugleich: Das Gute ist da, es kann gesucht, gefunden, bewahrt und in dieser Welt wirksam werden. Prüfen wir also drauf los – im Vertrauen auf die Kraft, die uns Herz und Sinne für das Gute ihrer Schöpfung öffnet.
Pastor Yorick Schulz-Wackerbarth
Gemeindebrief Nr. 1 - 2025 | März 2025 bis Mai 2025
