„Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1. Thessalonicher 5,21)

Das ist doch eigentlich selbstverständlich! Warum sollte man auch das Schlechte behalten?
Nun ja, wenn wir mal ehrlich sind, „behalten“ wir schon ziemlich viel, was weder uns noch anderen guttut.
Das fängt beim verführerischen Genussmittel an, von dem ich ganz genau weiß, dass es schädlich für meinen Körper ist, dass es abhängig macht und nicht zuletzt davon ablenkt, mich mit der Frage auseinanderzusetzen, warum ich mir das immer wieder antue.
Das ist aber auch die Lästerei, die wir weitererzählen, obwohl wir wissen, dass sie rufschädigend und ganz bestimmt nicht fair ist. „Gut“ ist die Verbreitung von unfundierten Gerüchten und bösartigem Gerede sicherlich nicht – weder für den Geschädigten, noch für meinen eigenen inneren Frieden.
Wird die Frage nach dem „Guten“ bei unserem politischen Wahlverhalten eine Rolle spielen? Oder sind andere innere Stimmen, Instinkte und Triebe stärker? Viele Wähler:innen haben vor mit ihren Kreuzchen Demagogen zu stärken, die öffentlich und unverfroren Zwietracht in unserer Gesellschaft sähen, Hass und Misstrauen zwischen Menschen verbreiten.
Haben wir alles geprüft und werden wir mit unserer Stimme dazu beitragen, das Gute zu bewahren?
Es mag für Viele wie simplistische Schwärmerei klingen, ja vielleicht sogar heuchlerisch, wenn wir in der Kirche immer wieder von „dem Guten“ sprechen und dazu ermahnen – schließlich ist auch bei uns nicht alles gut. Und ist es nicht auch weltfremd, so kindlich das Gute zu predigen, wenn Krisen und Kriege, wirtschaftliche Herausforderungen und geopolitische Umbrüche unsere vermeintlichen Sicherheiten und unseren Wohlstand bedrohen? Müssten auch wir da nicht etwas pragmatischer werden, im Kampf ums Überleben auf dem globalen Markt ein paar moralische Federn lassen, in erster Linie für uns selbst sorgen, damit wir „wieder in einem Land leben, auf das wir stolz sein können“?
Die Bibel, unser christlicher Glaube, hält dagegen: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Und wenn wir ehrlich sind, wissen wir oft sehr genau, was das Gute ist. Wir entscheiden uns nur immer wieder dagegen, weil der (vermeintlich!) eigene Vorteil zu verlockend ködert, weil es anstrengend ist, den inneren Trieben und niederen Instinkten nicht ungefiltert nachzugeben, weil wir uns von Angst und Misstrauen leiten lassen, statt darauf zu vertrauen, dass es das Gute wirklich gibt, dass es (zumindest verborgen) in allem steckt, immer wieder durchdringen kann, und es sich lohnt, nach diesem Guten zu suchen.
Am Anfang, so heißt es, blickte der Schöpfer auf alles, was er gemacht hatte, „und siehe, es war sehr gut.“ (Genesis 1,31) Das gilt für jeden Anfang, jeden Neuanfang, der das Gute ersehnt, immerzu und immer wieder. Es ist da, das Gute. Es kann entdeckt, hervorgehoben, gefördert, gestärkt werden. Das ist unsere Aufgabe als Christ:innen, das Gute immer wieder zu suchen und zu bewahren. Das ist aber auch eine Verheißung an uns, ein Versprechen, dass wir nicht vergebens suchen, sondern auf etwas Reelles hoffen.
Es tut uns selbst gut, wenn wir den Glauben an das Gute nicht verlieren. Es tut aber auch unseren Mitmenschen, unserer Gesellschaft, unserer Welt gut, wenn wir dem Zynismus, dem Nihilismus, der Gleichgültigkeit und der Boshaftigkeit etwas entgegenhalten: den Glauben an das Gute und das Bemühen darum, das Gute zu bewahren.
Es ist leider nicht selbstverständlich, dass wir immer nur das Gute behalten. Wir halten an ganz schön viel Schlechtem fest. Die Jahreslosung ist da ein hervorragender Vorsatz und eine beglückende Perspektive zugleich: Das Gute ist da, es kann gesucht, gefunden, bewahrt und in dieser Welt wirksam werden. Prüfen wir also drauf los – im Vertrauen auf die Kraft, die uns Herz und Sinne für das Gute ihrer Schöpfung öffnet.
Pastor Yorick Schulz-Wackerbarth
Gemeindebrief Nr. 1 - 2025 | März 2025 bis Mai 2025